Heute am 27.11 findet das zweite Spiel der WM für Deutschland statt, nachdem Deutschland gegen Japan zuvor verlor. Immer noch gibt es große Kritik an der WM in Katar. Was sagen wir dazu? Auch nach großer Thematisierung in den Medien, wollen wir unsere Meinung dazu äußern.

 

Gegner eines WM-Boykotts sagen, die Kritik komme zu spät um etwas zu verändern, denn die WM wurde bereits 2010 an Katar vergeben.

 

Doch bereits vor langer Zeit wurde die WM kritisiert, diese Kritik wurde aber schnell zu uninteressant für die Medien. Nur weil die WM jetzt so kurz bevorstand, wurde sie auch für die Medien wieder relevant, und damit auch die Kritik an ihr.

 

Die WM findet im Winter statt, da es in Katar im Sommer zu heiß wäre für die Spieler. Das, zusammen mit den weiteren Kritikpunkten, sorgt dafür, dass vor Ort wenig gute Stimmung herrscht. Es ist wahrscheinlich, dass daher Gastarbeiter bezahlt werden, um für die verschiedenen Teams für Stimmung zu sorgen.

Hier ein Video des Nachrichtensenders WELT dazu: https://youtu.be/ll3yR7E4edw

 

Die schlechte Stimmung der Angereisten hat noch andere Gründe als die Jahreszeit. Kurz vor Beginn wurde ein Alkoholverbot verhängt, welches überall rund um die Stadien gilt, mit Ausnahme der VIP-Bereiche. Des Weiteren gibt es nur 100.000 Übernachtungsmöglichkeiten für etwa 1,2 Millionen erwartete Fans. Die Alternativen für die Fußballfans sind extrem überteuerte Zeltlager mit schlechter Versorgung, oder Übernachtungen in Nachbarländern per Flugzeug, was den CO2 Verbrauch nochmal deutlich erhöht.

Ein Video zu den Zeltlagern: https://youtu.be/pBi4ff_q1IA

 

Bei der Vergabe der WM 2010 waren die vielen negativen Punkte einer WM in Katar bereits bekannt, doch durch Bestechung durch Katar sind sie dann doch nominiert worden.

 

Weitere Argumente gegen die WM in Katar sind, dass sie offen homophob und sexistisch sind. Der Botschafter der WM Khalid Salman, nannte Homosexualität einen „geistigen Schaden“. In der gleichen Reportage wurden Frauen als Süßigkeit bezeichnet. Um gegen genau diese Homophobie ein Zeichen zu setzen, wollten 6 Teams europäischer Länder eine One-Love Binde während der Spiele tragen, welche bunte Farben, aber bewusst nicht die Regenbogenfarben der Homosexualität zeigen. Doch die Fifa verbot den Fußballteams die One-Love Binden zu tragen. Die Strafe für den Verstoß gegen das Verbot ist eine gelbe Karte, worauf die Teams darauf verzichteten.

 

Die Umweltverträglichkeit der WM ist ebenfalls stark umstritten. Katar behauptet, die WM soll klimaneutral stattfinden. Erreichen wollen sie das durch die Pflanzung von 16.000 Bäumen und zahlreicher Büsche, die in dieses Klima passen, und den Kauf von Klimazertifikaten. Doch die WM ist deswegen noch lange nicht klimaneutral. Die Wasserversorgung wird hauptsächlich durch die Entsalzung von Meereswasser ermöglicht, welche sehr viel Energie verbraucht. Auch für die Klimatisierung der heißen Stadien wird sehr viel Energie benötigt. Diese Energie wird in Katar fast vollständig aus fossilen Energieträgern gewonnen. Laut Berechnungen, welche Fifa selbst in Auftrag gegeben hat, verursacht die WM in Katar mehr Kohlenstoffdioxid als jede WM davor. Laut South Pole, einer globalen Beratungsfirma, liegen die verursachten Emissionen bei 3,6 Gigatonnen CO2. Dazu gibt viele offene Fragen dazu, wie weitreichend die Kompensation ausfallen sollen, und die Kritik, dass Katar mit dem Kauf der Klimazertifikate Greenwashing betreibt.

Quellen: https://www.sportschau.de/fussball/fifa-wm-2022/wm-katar-das-maerchen-von-der-klimaneutralitaet-100.html ; https://taz.de/CO2-Rekordwert-bei-Katar-WM/!5893932/

 

Bezüglich des Baus der Stadien und der benötigten Infrastruktur, vermutet Amnesty International 1500 Tote Gastarbeiter. Das sind mehr Tote als Spielminuten für die gesamte WM. Andere Quellen vermuten etwas mehr als die Hälfte davon, die FIFA gibt jedoch an, es gab nur 3 Tote Gastarbeiter bei dem gesamten Bau. 3 Tote sind auch schon viel zu viele für eine WM, aber die große Differenz zwischen den Angaben der FIFA und anderer Quellen, lassen die FIFA sehr unglaubwürdig dastehen.

 

Zusätzlich wurden die Gastarbeiter, meistens aus ärmeren Ländern wie Indien oder Pakistan, beim Bau stark ausgebeutet. Sie bekamen wenig oder keinen Lohn, und mussten in extrem schlechten Unterkünften leben. Mittlerweile dürfen sie zwar ihre Arbeit kündigen, verlieren darauf aber direkt ihre Aufenthaltserlaubnis.

 

Die Aufklärung dieser Missstände, sowie auch die Meinungsfreiheit werden in der absolutistischen Monarchie Katar stark eingeschränkt. Es gab kaum freien Zugang zu den Unterkünften, der Arbeitsrechtsaktivist Malcolm Bidali wurde unterdrückt und Reporter über die WM werden wiederholt von Sicherheitskräften belästigt, trotz aller benötigten Papiere.

Der Fall Malcolm Bidali: https://www.amnesty.at/news-events/arbeitsrechtsaktivist-malcolm-bidali-darf-nach-zahlung-einer-geldstrafe-katar-verlassen/

 

Gianni Infantino, der derzeitige Präsident der FIFA, wirft den westlichen Ländern Doppelmoral vor, weil wir selbst eine lange Geschichte von Homophobie, Ausbeutung und weiteren Missständen haben. Und er hat Recht, wir hatten keine rosige und gerechte Vergangenheit, ABER, das ist kein Argument dafür, eine möglicherweise bessere Zukunft durch nichts tun zu blockieren. Ungeachtet der eigenen Vergangenheit ist es immer wichtig, auf Missstände hinzuweisen, sowohl im näheren Umfeld als auch in anderen Ländern.

 

Er bezeichnet die WM außerdem als die „beste WM aller Zeiten“. Dies ist einfach gelogen. Selbst ohne Beachtung der massiven moralischen, menschenrechtlichen Probleme sollte es auffallen, dass eine WM im Winter, in einem Wüstenstaat, mit vergleichsweise schlechter Unterhaltung für die Spieler und Fans, sowie der schlechten Unterkünfte ein dramatisches Problem darstellen. Es zeigt wieder nur, dass Korruption stärker bekämpft werden muss und die Wirtschaft und der Profit nicht nur an erster Stelle stehen darf.

 

Am Ende der WM werden die meisten Stadien wahrscheinlich auch nicht mehr benutzt. Eine Geldverschwendung und umwelttechnische Katastrophe.

 

Für die Spieler ist jede WM natürlich ein Highlight in ihrer Karriere, und diese Bedingungen machen es den Spielern, sowie den vielen Fußballfans natürlich schwer.

 

Ein positives Beispiel um Kritik zu äußern, ist die Aktion unserer Innenministerin Nancy Faeser bei dem ersten Spiel der deutschen Nationalmannschaft. Sie trug die One-Love Binde aus Protest.

 

Natürlich können wir an der WM jetzt nichts mehr verändern, doch der Boykott aller WM Spiele in Katar setzt ein deutliches Zeichen, dass wir diese Werte und diese WM nicht unterstützen. Die Masse machts und kann auch für kleine Veränderungen sorgen.

 

Wichtig ist, dass wir aus diesen Fehlern lernen, damit die Fußballspieler und Fans die WM wieder genießen können.

  • Es muss mehr Transparenz in der FIFA bei der WM-Vergabe geben und Korruption muss stärker bekämpft werden.
  • Die Menschenrechte sind universell und unveräußerlich, sie müssen im Austragungsland gewährleistet werden.
  • Der Schutz von Arbeitern und eine angemessene Entlohnung muss zugesichert werden.
  • Wahre und transparente Klimaneutralität einer WM ist wünschenswert. Kein Greenwashing.

 

Wir unterstützen die deutsche Nationalmannschaft gegen den starken Gegner Spanien. Aber wir wollen ein Zeichen setzen, und zwar durch den Boykott aller WM Spiele dieses Jahr. Diese Missstände wollen wir aufzeigen, selbst wenn wir nur wenig verändern können. Wir zeigen Fehler auf und setzen uns für das richtige ein, anstatt dieses autoritäre Regime zu unterstützen. Die WM in Katar ist ein menschenrechtliches, ökologisches und sportliches Desaster, bei dem viel zu viele Menschen gestorben sind. Ein Boykott ist damit wünschenswert und wir müssen aus unseren Fehlern lernen.

 

von Martin Lüdders [Vorsitzender] und Tjark Goldenstein